Großer Straßenpreis des Donnersbergkreises Bolanden

Das erste richtige Straßenrennen seit 2012

Eigentlich hatte ich Lizenz-Straßenrennen für mich ja fast abgehakt, da ich mit den vielen Antritten und dem Fahren im Feld im allgemeinen nicht so gut zurecht komme. Nachdem ich im Training dieses Jahr mich aber kontinuierlich steigern konnte und das in den letzten Wochen auch an meiner stetig wachsenden Zahl an strava-KOMs sehen konnte, wollte ich es noch einmal probieren. Mir war allerdings klar, dass Mitrollen im Feld auch jetzt und gerade nach so langer Rennpause nicht mein Ding sein würde. Also suchte ich mir ein Rennen in der Nähe aus, wo zumindest ein härterer Berg vielleicht ermöglichen würde, dass man sich mit einer kleinen Gruppe absetzen könnte. Dann sollten sich meine Zeitfahrkünste einigermaßen auszahlen, auch wenn die 2 Zeitfahren Mitte Mai nicht so doll ausgefallen waren, was ich aber vielleicht auf das Langstreckentraining ein paar Tage vorher schieben kann.

Nachdem ich mir den Kurs am Vortag angesehen und eine 7,7km-Runde "im Renntempo" abgefahren war, war ich aber nicht mehr so sicher ob das klappen würde. Der angebliche Berg (Strava-Segment "Knüppelberg") ist gerade mal 1km lang und 64hm hoch - an so kurzen Dingern kann ich mit den richtig schnellen Jungs mit den dicken Beinen normalerweise nicht mithalten, da bin ich nicht "explosiv" genug. Entsprechend fiel meine Zeit bei der Besichtigung mit 2:29min hier auch nicht überwältigend aus.

Am Start (der sich oberhalb des Orts, nach dem "Knüppelberg", auf einer kleinen Hochebene befindet) redeten mir meine Vereinkollegen Detlef und Tim, aber auch Kumpels von früher die ich traf, dennoch gut zu, die offenbar mehr Vertrauen in mich hatten als ich selber. Dabei verquatschte ich mich aber direkt mit Peter, so dass uns am Ende nur noch 19min für eine Aufwärmrunde blieben - die 15km Fahrt vom Zug zum Rennen war ja schon über 1h her. Prompt standen die andern schon längst vor der Startlinie aufgereiht, als wir ankamen, auch wenn das Rennen dann einiges später startete als angekündigt - die Rennleitung wollte den gerade durchgefahrenen Elite-C-Fahrern "etwas mehr Zeit lassen, weil die Senioren meistens schneller fahren als die C-Klasse" ;-)

Das Rennen

Nach dem Startschuss geht es erstmal fast flach los, und wie üblich dauert es nicht lange und ich finde mich trotz Start in der Feldmitte an dessen Ende wieder. Eine Spitzkehre auf eine größere Straße, dann rauscht der Pulk mit 45-55 km/h geschlossen leicht abfallend Richtung Bolanden. Immer wenn ich versuche links oder rechts am Feld vorbei nach vorne zu fahren, schließt sich die Lücke wieder, und so bleibe ich auch bei der nicht allzu steilen Abfahrt in den Ort hinein erst mal hinten. Das kostet Nerven, denn hier rollt man eigentlich nur, während man vom Sog der ca. 60 Fahrer vor einem mitgezogen wird, muss sogar öfter leicht bremsen – aber falls vorne irgendwas passieren sollte, bin ich hier hinten eingekesselt. Und immer ist da die Erinnerung an plötzliche Massenstürze in früheren Rennen im Hinterkopf...

Nach gefühlten Stunden – es können höchstens 8min seit dem Start sein! – sind wir 2,3 Kurven durch den Ort geblasen, es geht nochmal um eine enge Rechtskurve und dann direkt in den Anstieg hinein. Hier muss ich unbedingt versuchen meine Position zu verbessern! Erwartungsgemäß zieht sich das Feld hier etwas auseinander, ich komme rechts mit einiger Anstrengung gut voran und bin am Ende des steileren Abschnitts tatsächlich fast vorne, wo nur noch in Einerreihe gefahren wird. Jetzt würde ich mich gerne irgendwo einreihen, um auf der schwächer ansteigenden Geraden zur ersten Zieldurchfahrt bei deutlichem Gegenwind Kraft zu sparen, aber niemand lässt mich rein. Das Tempo kommt mir nach dem Berg aber nicht so dolle hoch vor, also setze ich mich eben ganz nach vorne und fahre so als erster über die Linie, gefolgt vom ganzen Tross. Unterwegs merke ich sogar noch, dass ich am Start vergessen habe den Tacho zu starten, was ich jetzt nachhole – nicht dass ich am Ende die Runden falsch zähle! Die Zeit reicht sogar noch Detlef und seiner Kamera zuzuwinken.

Jetzt bin ich also vorne, eigentlich viel zu früh. Egal was für Wellen ich fahre und wie ich das Tempo rausnehme, keiner will mich ablösen. Toll. Das kenne ich schon. So werden wir das Feld sicher nicht dezimieren. Nach der Spitzkehre kommt etwas Bewegung ins Spiel, auch andere arbeiten mal mit, dann beginnen schnell die ersten Tempoverschärfungen und Attacken. Das ist mir ganz recht, vor allem da ich merke, dass ich null Probleme habe die Attacken mitzugehen. Mal setze ich selbst nach, wenn jemand vorbeischießt, mal warte ich ab bis 1,2 hinterherfahren, beschleunige und sitze ratz-fatz dahinter. Am aktivsten ist nun Alberto Kunz, den ich schon von diversen Zeitfahren her kenne. Mit irrer Differenzgeschwindigkeit prescht er einige Male vorbei, reisst direkt Löcher von 10-20 Meter auf und zwingt die andern so nachzuziehen. Ich springe erst hinterher, dann mache ich aus der 2. Position heraus das gleiche. Das macht Laune! Wir wechseln uns quasi mit Attacken ab, und hinten fangen sie an immer lauter zu murren. Ja, da ärgern sich jetzt manche... Bernd F. fährt, als ich ein wenig rausnehme, neben mich und teilt mir mit, ich soll das doch bitte lassen, es sei zu früh für einen erfolgreichen Angriff. Na ja, erfolgreich oder nicht, ich will jedenfalls unbedingt meinen Platz an der Spitze behaupten, zu anstrengend finde ich das bei dem schönen Rückenwind hier auch nicht, und jetzt kommt gleich die Abfahrt, wo ich diesmal vorne fahren will, sonst setzen sich wieder ständig welche vor mich.

So ist das schon angenehmer, ich komme gut durch die Abfahrt und in den Berg hinein, behaupte mit einiger Anstrengung Position 2 oder 3 (und damit, was ich gar nicht mitbekommen habe, meine erste Rundenprämie, die für Runden 2,3 und 5 vergeben werden). Die nun beginnende 3. Runde wird zunächst etwas ruhiger gefahren. Alberto und ich fahren unauffällig direkt hinter der Spitze, und so sinkt mein Puls locker dahinrollend mit 42km/h an der Kuppe im Rückenwind tatsächlich mal unter 160. Aber bei dem locker verschleppten Tempo kommt Alberto der gleiche Gedanke wie mir: vor der Abfahrt attackieren!

Die Spitzengruppe

Ich weiss gar nicht mehr wer von uns beiden zuerst los springt, jedenfalls beschleunigen wir wie die Irren auf der leicht abfallenden Geraden auf über 65km/h und reissen direkt ein ordentliches Loch auf, bringen das Führungsfahrzeug dabei etwas in Bedrängnis, das heftig beschleunigen muss um nicht aufgefahren zu werden. In der scharfen Kurve vor der eigentlichen Abfahrt nach Bolanden verbremse ich mich hinter Alberto etwas, verliere aber nicht den Kontakt. Mit Beginn des Anstiegs gehe ich nach vorne – und muss einen Moment später bremsen, irgendwoher ist ein weiteres Auto hinter dem Führungswagen aufgetaucht und kommt nicht schnell genug um die Kurve, Alberto brüllt "rechts ranfahren", mit Müh' und Not kann ich links vorbei. Es tauchen dann zwar doch noch 2 weitere Fahrer auf, mit denen zusammen wir den Anstieg bewältigen, aber das Feld ist zurückgefallen.

Auf dem Steilstück schaffen wir es zunächst noch nicht das Feld richtig abzuhängen, das geschätzte 100-200m hinter uns fährt. Aber im Gegensatz zu den vorhergehenden Runden ziehen wir diesmal auf dem flacheren Teil und vor allem nach der Zieldurchfahrt und Beginn der 4. Runde voll durch, und bauen dadurch unseren Vorsprung soweit aus, dass das Feld nach der Spitzkehre nicht mehr zu sehen ist! Leider tragen fast nur Alberto und ich dazu bei, wir beide wechseln uns regelmäßig ab, die andern beteiligen sich kaum an der Führungsarbeit. Quasi fahren wir ein Paarzeitfahren, was sich auch an einem gleichmäßig extrem hohen Puls ablesen lässt, der sich so auf die Dauer wohl nicht durchhalten lässt.

Nach der nächsten Zieldurchfahrt schicke ich die andern öfter mal nach vorne, wodurch mein Puls – seit der 2. Runde bei durchschnittlich 177-178! – sich mal etwas beruhigen kann. Trotzdem wird das gleichzeitig unsere schnellste Runde bisher, denn nachdem Alberto bergab volles Tempo gegeben hat, beschleunige ich diesmal am Anstieg bis zum Ziel hin mehr als sonst, um die beiden zu testen, die prompt etwas zurückfallen, während Alberto den Anschluss halten kann – ihn will ich auch nicht abhängen, da wir zusammen optimal arbeiten können, er in den flachen Teilen etwas besser, ich bergauf. So treibt er mich mit Zurufen den Berg hinauf, während ich mich versichere, dass er dranbleibt. (Nachher stelle ich zu fest, dass ich am Tag vorher den Berg noch ein paar Sekunden schneller gefahren bin, trotz fehlender Absperrung und Verkehr. Aber da musste ich ja auch kein komplettes Rennen fahren...) Nach der Zieldurchfahrt kommen sie dann doch wieder ran, und ich nehme das Tempo raus und lasse die beiden vor. Das ist jetzt die 6. und letzte Runde! Ich fahre neben Alberto: "Irgendwie müssten wir die beiden doch loswerden können – ich mag die Zahl 4 nicht" meine ich zu ihm. Nach dem ich mich an das Hochgefühl gewöhnt habe, seit 2 Runden vor dem Feld zu fahren und wohl kaum mehr eingeholt zu werden, will ich jetzt auf keinen Fall Vierter werden. Alberto geht es ähnlich.

Attacke!

Die Verschnaufpause bis zur Spitzkehre gibt mir Gelegenheit mich auf den hoffentlich entscheidenden Angriff vorzubereiten, wenn es am Berg schon nicht geklappt hat. Mir ist schon vorher klargeworden, dass die Kehre dafür der beste Moment ist, da man hinten fahrend immer schlechter um so eine enge (wenn auch komplett abgesperrte) Kurve herumkommt und ab da ein klasse Rückenwind von hinten drückt. Bis zum Schlussanstieg zu warten erscheint mir dagegen zu riskant. Also stehe ich vorne fahrend auf und beschleunige schon in der Kurve voll, lasse mich ganz auf die linke Straßenseite tragen und nehme immer mehr Tempo auf, während der Führungswagen ordentlich Gas geben muss. Keine klassische "Attacke", da hinten ja jeder sieht was ich mache, aber die Taktik funktioniert! Überraschenderweise kommt auch Alberto nicht mit wie bei unseren früheren Tempoverschärfungen — nach einer Minute drehe ich mich um und sehe mindestens 100m weit niemanden hinter mir!

Jetzt ist es also zu dem gekommen was ich mir immer ausgemalt aber bisher nie geschafft habe: ein Rennen als Zeitfahren zu gestalten. Die nun folgenden 6,5km allein sind extrem hart aber auch adrenalingefüllt. Mich wundert selber, dass ich nach den zurückliegenden Strapazen nicht total platt bin, sondern mich noch einmal zur (abgesehen vom ersten km) schnellsten Runde überhaupt antreiben kann! Mit extrem gleichmäßigem Puls um die 185 lege ich die Distanz mit Schnitt über 42 in rund 9 Minuten zurück – Werte wie in einem kurzen Zeitfahren. Für das hier habe ich heute ja extra den Zeitfahr-Einteiler und das Aero-Rad statt der leichteren Bergmaschine genommen! Ich habe überhaupt keine Probleme mehr mit der Abfahrt – in der ich den verdutzten Peter überrunde, der aus dem Hauptfeld herausgefallen ist –, komme direkt hinter dem Führungsauto super durch den Ort und in den Anstieg, frage mich, ob die Zuschauer überhaupt mitbekommen, dass ich kein Überrundeter sondern der Führende bin...

Als ich mich am Beginn des Bergs umdrehe, scheint nur noch der überholte Peter 150m oder so hinter mir zu sein, und ich nehme tatsächlich ein wenig raus; wozu soll ich mich mehr quälen als nötig! Das war allerdings keine gute Idee, denn als ich später noch einmal nach hinten linse, ist Alberto plötzlich ziemlich nah aufgetaucht – vermutlich habe ich ihn vorhin schon mit Peter verwechselt, der ähnliche Farben trägt. Dann doch wieder etwas mehr Gas geben! So gut wir den Rest des Rennens zusammen gearbeitet haben, jetzt geht's schließlich um den Sieg, den ersten in einem Straßenrennen in meiner "Rennkarriere"!

Jetzt spüre ich die Anstrengung wirklich, die Beine schreien nach Erholung, und der flache Teil oben zieht sich noch so lange hin! Noch 300 Meter, ich drehe mich noch einmal um, Alberto ist grade so zu sehen, kommt aus dem Steilstück heraus, vielleicht 100 Meter hinter mir. Könnte ich noch rechnen wäre eigentlich klar, dass das unmöglich aufzuholen ist, trotzdem ziehe ich auch jetzt bei Puls 190 noch durch. Der Zielwagen wird sichtbar, irgendwelche Durchsagen vom Sprecher – ich reisse einen Arm hoch (jetzt nicht blöd stürzen!) und bin endlich im Ziel, zum ersten Mal in meinem Leben als Erster in einem Rennen mit Massenstart, sozusagen im "Kampf Mann gegen Mann" statt nur gegen die Uhr im EZF oder BZF.

Nach dem Rennen ging's mir dann doch ziemlich schnell wieder gut, und die vielen Gespräche mit alten Kumpels waren erfrischend. Danke an alle für die Glückwünsche und die Ermutigung! Tim, der bei der C-Klasse mitgefahren ist, hat auch noch einen guten 13. Platz gemacht. Dafür musste er den "Knüppelberg" einige Male deutlich schneller als wir hochfahren, die Rundenzeiten insgesamt waren aber eher geringer – typisch für die C-Hasen... Ich selbst hatte dann nach dem doch eher kurzen Rennen sogar bald wieder richtig Lust, mit dem Rad nach Hause zu fahren, leider kamen nach den Regengüssen, während wir im Zelt saßen, und der dann herauskommenden Sonne später noch weitere, so dass es nur 32km bis zum Zug wurden, aber auch die waren sehr erholsam.


Das Rennen (ohne die 1. Runde im Pulk) in der Übersicht: 47 km und rund 600 Höhenmeter, Schnitt 40,1 km/h, Durchschnittspuls 178, Maximal 191.


Cosmas Lang