Same procedure as last year? Das Gerolsteiner Tourfestival 2007
Rennbericht von Reni Putz
Das Gerolsteiner Tour-Festival. Eine Veranstaltung, die mit viel Aufwand zum Höhepunkt im Kalender der Hobbyrennradler im Umkreis von 1000 km werden soll. Letztes Jahr war Premiere, die nur durch das Wetter deutlich getrübt wurde, 2007 sollte alles noch toller werden.
Frauen sind intelligenter als Männer, deshalb hatte ich mich dieses Jahr nicht vorab angemeldet, ich wollte erst mal das Wetter abwarten. Im Vorjahr hatte ich das Wunder vollbracht, nicht an Unterkühlung einen einsamen Tod am Schwarzen Mann in der Eifel bei Regen und 3°C zu sterben. Diesmal wollte ich meinen Schutzengel nicht noch einmal so herausfordern. Das Zimmer war gebucht, Cosmas war für das Einzelzeitfahren und das Rennen über 210km gemeldet, und ich wartete misstrauisch ab. Als nach mehreren Wochen der Trockenheit Regen und stürmischer Wind aufkam, wusste ich: das Tour-Festival naht. Ich begann mich an der Idee zu erfreuen, mit Cosmas nach Gerolstein zu fahren, und während der sich bei Regen, Sturm und Eiseskälte auf der Rennstrecke tummelte, mit der Zimmerwirtin Kaffee zu trinken oder mal ein Buch zu lesen, vielleicht noch ein Schläfchen zu machen, Cosmas würde mich sicher wecken, wenn er patschnass vor der Türe stehen würde.
Die Intelligenz der Frauen wird oft durch Männer zunichte gemacht. Wie nicht anders zu erwarten, fing Cosmas schon vor der Fahrt an zu nörgeln, wieso ich nicht mitfahren wolle, so schlecht wäre das Wetter doch nicht, was ich sonst in der Eifel suche. Tatsächlich war das Wetter um einiges besser als letztes Jahr, als wir Freitag um 14:00 Uhr am Bahnhof eintrudelten, mit einer Stunde Verspätung, wieder wie letztes Jahr. Nur diesmal war statt der freiwilligen Feuerwehr mit Bierfaß ein Damenkegelclub mit Piccolo-Sekt im Fahrradabteil gewesen.
Während Cosmas im Akkreditierungszelt seine Startunterlagen abholte, schwatzte ich mit einem Rennradler, der für mich aussah wie ein kundiger, aber verkleideter Eifelbauer, eben bunt. Dessen wettergegerbtes Gesicht grinste, als er sagte: „Morgen wird’s keinen Regen geben, das bleibt etwas windig, aber zu windig für Regen.“ Er strahlte Naturverbundenheit und Autorität aus, wieso sollte ich ihm nicht glauben? Weil er ein Mann ist wie alle anderen, wie ich heute weiß.
Dann fiel mir ein, ich wollte doch wieder mit Matthias, dem Jungtalent fahren, wie sieht das denn aus, wenn ich vom Wochenende erzähle, ich wäre wegen des bedeckten Himmels und etwas Wind nicht gestartet? Wahrscheinlich gab das den Ausschlag, ich rückte brummelnd in die kleine Anmeldeschlange und brummelte noch etwas lauter, als ich die 59€ rausrückte, die für den Start für 101km gefordert waren. Einen Grund für die hohe Gebühr kann ich mir denken: Wer knapp 60€ gelatzt hat, der will auch fahren wenn es um 07:30 Uhr klatschnass auf der Straße ist, wenn der dunkle Himmel noch mehr Nässe verspricht, wenn heftige Windböen an feuchten Winjacken zerren, wenn die Temperatur nur auf 10°C steigt, mit einem Wort, wenn ein Wetter ist wie am Samstag.
Aber erst mal Freitag: Nach der Anmeldung hatten wir noch Zeit, die Rucksäcke bei unserer 81-jährigen Zimmerwirtin abzugeben und eine Tasse ihres Kaffees (ist das wirklich Kaffee, so schwarz, soo stark?) zu schlürfen, bevor Cosmas sich warm fahren musste für seinen Start beim Einzelzeitfahren. Ich ging zu Fuß (!) runter in den Ort, um ihm ein kräftiges „eiiiii-hopp, länger als 54 Minuten warte ich nicht!“ nachzurufen, bevor ich ein knappes Stündchen mit Schwatzen und Erdbeeressen zubrachte. Tja, für Cosmas war diese Strecke nicht optimal, es ging nicht nur den Berg hoch, sondern leider auch wieder runter zum Ziel. Mit einem Wort, er wurde fünfter, während Vorjahresheld Günter Höllige wieder mal zuschlug: er deplazierte den U23-Zeitfahrmeister Dominik Roels, der die Zeit vorgab! Seine Alltagsfahrten zahlen sich anscheinend aus: er fährt täglich über 40km zur Arbeit und zurück.
Ich werde alt, und Sprüche kommen mir über die Lippen: Früher war alles besser, so auch bei der Pasta-Party am Abend. Letztes Jahr wurde mehr Geld in alles gebuttert: in jeder Kategorie gab es für die ersten 15 (!) noch Gerolsteiner Trikots und die Pasta war wärmer und leckerer. Trotzdem war „alles was reingeht“ an Pasta und Salat für 4,50 € sehr günstig und tröstete Cosmas vielleicht etwas darüber hinweg, dass diesmal kein Platz auf dem Treppchen für ihn war.
Samstag: Der „Marathon“: 4 Strecken gab es Samstag im Angebot: 53, 101, 155 und 210. Alle Teilnehmer starteten gemeinsam, waren nur auf der Startnummer gekennzeichnet als Kurz- oder Langstreckler. Da viele vernünftige Fahrer ihre Regenjacken drüberzogen, konnte man teils nur umständlich an der Nummer am Lenker die Kategorie erkennen. Zudem hat die Organisation abkürzen zugelassen, d.h. ein 210er Kandidat wurde für die 155er Strecke gewertet, wenn er nach ¾ seiner Strecke ins Ziel einbog. Für die Rennübersicht ist das hinderlich, aber wer hat schon die Übersicht? Cosmas hatte die wenigstens zum Teil, er konnte schon am ersten Berg mit etwa 10 Recken (darunter natürlich wieder Günter Höllige) ausreißen.
Wir hatten uns trotz später Anmeldung durch Beziehungen vom letzten Jahr zur Rennleitung Plätze im Startblock A erschlichen. Der bekam zwar als einziger Block die Startzeit 08.00 Uhr (die anderen wurden mit Nettozeit gerechnet ab Startdurchfahrt), aber alles ist besser als Tausend Radler vor dem eigenen Rad. Das führte bei mir allerdings dazu, dass ich nach dem echten Start mit einem Tempo unterwegs war, das bei 25km Gesamtstrecke kein Problem gewesen wäre... Nächstes Jahr erschleiche ich mir lieber Startblock B. Bald ließ ich mich etwas nach hinten durchreichen, fuhr auch schon mal alleine im Wind.
Nach 13km wusste ich, die Überschuhe halten höchstens 13km trocken. Wenigstens war es deutlich wärmer als letztes Jahr, heißen Tee wollte ich diesmal nicht. Die Schwierigkeit war, eine Gruppe zu finden, die passt: am Berg konnte ich im Verhältnis immer besser mithalten als in der Ebene oder bergab. Manche Leute habe ich durch die verschmutze Radbrille vor mir entdeckt, flott überholt und 5 Minuten später haben die mich wieder überholt, da fragt man sich doch, wieso nicht gleich zusammen fahren? Nach etwa 50km hatte sich die Lage etwas entspannt, nicht nur ich war anscheinend ernüchtert und realistischer geworden, was meine Leistung betrifft.
Panik an der ersten Verpflegungsstelle: beinahe hätte ich den Erstickungstod durch zu schnelles Bananenessen während der Fahrt erlitten, hustend und keuchend bin ich ziemlich langsam geworden, bis ich mich von der tückischen Südfrucht erholt hatte. „Man muss schon im Training üben, auf dem Rad zu essen“, klingelt mir Cosmas’ unverschämte Belehrung im Ohr. Dass mein Defizit auch Nutzen bringen kann, beweist dies: von des Todes Schippe bin ich direkt in den Windschatten eines Pärchens gesprungen. Nach kurzer Zeit war mir klar: der Kerl in diesem Zweiergespann fuhr immer vorne, da kann ich mich doch prima erholen hinter dem Mädel. Also reingeschnuckelt und dringeblieben im seligen Windschatten. Endlich hatte ich Anschluß mit passendem Tempo. Ich hab ich allerdings noch dem Mädel versichert, dass ich keine Konkurrenz darstelle: Wenn sie im hinteren Startblock gestartet ist, hat sie bei gleicher Zieldurchfahrt die bessere Nettozeit, und die zählt. Die Schwatzsucht hat mich noch mehrmals überfraut, als ich zum Beispiel nach der Messkurbel fragte, die die beiden am Rad hatten, sagte er: „Das ist doch alles gesponsort, wir sind das Pärchen, das für die Tour Transalp fährt.“ Birgit und Holger.
Ich kann eine alberne Göre sein, ich hab gequietscht wie ein gekitzeltes Ferkelchen. Wie witzig, dass ich im Mittelfeld noch Prominenz treffen kann! Die beiden sind in etlichen Tour-Heftchen abgebildet gewesen, sie wurden ausgelost, bekommen Ausrüstung, Räder und Startplätze für die Jeantex Transalp Veranstaltung. Mit Wattzahlen kennen sie sich auch aus, seit sie mit der teuren Messkurbel die Gegend unsicher machen.
Der Rest der Strecke war für mich wie flottes RTF-Fahren, nur nässer, die Handschuhe wurden immer schwerer und schwabbliger, über die nassen Füße mochte ich nicht nachdenken, vom Hinterteil ganz zu schweigen. Es kam wohl immer mal für Sekunden die Sonne raus, aber nur um uns zu äffen, „So hätte es sein können, wer aber in Gerolstein fährt, der sollte Wind und Regen lieben!“ Den Zuschauern machte es offenbar wenig aus, sie standen tapfer im Regen und klatschten sich die Finger warm.
Ein weiterer Trost war die nette Gesellschaft im Feld, ich lernte noch einen frischgebackenen Juristen kennen und konnte noch etwas mit Birgit und Holger schwatzen. Birgit war zwar mürbe vom Regen (wahrscheinlich ist mürbe das falsche Wort bei dem nassen Wetter?), hat sich aber doch entschlossen, mit Holger die 155km voll zu machen und nicht mit mir nach 101km ins Trockene zu rollen. Ich habe am Abend erfahren, dass sie Holger überraschend verloren hat, er hatte wohl Probleme bekommen, und als sie dann vorne fuhr, ist er hinten völlig abgefallen. Immerhin sah er später bei der Pasta wieder ganz gesund und zufrieden aus....
Ich kam mit 2 Herren ins Ziel, die ich auf den letzen, flachen Kilometern noch aufgelesen hatte, und sah direkt schon ein blondes Mädel, die vor mir reingekommen war und eine Hintenstartnummer trug. Das hört ja gut auf, dachte ich, beglückwünschte Antje, die wirklich gut gefahren war, und stürzte mich auf weitere, diesmal harmlose Bananen, Orangen und Gerolsteiner Sportgetränke. Leider war dieses Jahr kein heißes Eifelbrot zu bekommen, dafür bekam ich wenig später von unserer lieben Zimmerwirtin „Butterstullen“, die komischerweise mit Käse belegt waren....
Es gibt auf der Seite des Tour-Festivals zum 2. Tag ein Video des ersten Teils des Rennens, und Leute mit fetten Carbonfelgen (wie Cosmas) oder welche mit Jeantex-Klamotten sind besonders oft zu sehen, Leute mit 80er Jahre Helm und schlabberigen Windjacken (wie Reni) leider nie:
http://www.tourfestival.de/deutsch/live07/video/podcast06.asp
Für die Rückkunft ließ Cosmas auf sich warten, er kam Stunden nach mir in unserer Unterkunft an (diese seltenen Gelegenheiten genieße ich sehr, auch wenn der Grund in seiner doppelten Kilometerleistung liegt), und er sah ermattet aus, laut Zimmerwirtin „völlig fertig!“ Ein wenig hat er auch rumgepienst und gemosert, es hätte besser laufen können. Endergebnis für ihn: 7. Platz bei den Herren. Viele hätten sich gefreut...
Eigentlich hätte es für mich keine Überraschungen geben dürfen, es war ja fast alles so gewesen wie im letzten Jahr, das Wetter, die netten Schwätzchen, die rüstige, nette Zimmerwirtin, die jubelnden Zuschauer in nassen, einsamen Eifeldörfern. Aber der 3. Platz bei den Damen, wie im letzten Jahr, das ist trotzdem ein Glücksfall und bei einem Schnitt von 28,2 nicht selbstverständlich. Andererseits auch notwendig, denn diesmal bekamen nicht die ersten 15, sondern tatsächlich nur die ersten 3 Gerolsteiner Trikots. Und ich wollte meines doch einem talentierten Jugendfahrer vermachen!
Den Gerolsteinern wünsche ich herzlich, mal besseres Wetter zu haben, aber für uns hatte es immerhin auch Vorteile: das Starterfeld war etwas kleiner, und bergab wurde wegen Nässe meist vorsichtig gefahren, an der Pastatheke war die Schlange nie sehr groß, bei der Messe gaben sich die Aussteller bei relativ wenigen Besuchern mit jedem Mühe, so wie sonntags am Tour-Stand: da konnte ich 8 Minuten nicht vom Fleck, weil Cosmas mich mit 2 Rädern und 3 Taschen dort auf ihn warten ließ. Der neue Chefredakteur Hr. Musch wurde deshalb eben so lange in ein Gespräch gezogen, der Ärmste.
Also war natürlich alles wie im letzten Jahr. Als wir Sonntag in Mainz ankamen, sahen wir die letzten abreisenden Harley Davidson Fahrer, die haben wir schon wieder bei der Gelegenheit verpassen können! Glück gehabt! Fazit: Same procedure as every year?
Reni Putz
Nachtrag von Cosmas Lang
©www.tour-festival.de
War selbst bisher zu gefrustet, um einen richtigen Bericht zu schreiben, drum muss vorerst der von Reni
genügen.
Bei mir lief dieses Jahr so einiges anders als letztes Jahr in Gerolstein, hier nur mal kurz die
Unterschiede:
- Beim EZF war das Ziel diesmal nicht oben, sondern es ging danach auch wieder 12km nach Gerolstein zurück runter. Sowas liegt mir ja nicht so, und prompt lag ich diesmal nicht nur knapp 1 Minute wie letztes Jahr, sondern fast 3 Minuten hinter dem Sieger, der natürlich wiederum Günter Höllige hieß (und das, obwohl meine selbstgestoppte Zeit bis zum Ziel vom letzten Jahr sogar 10 Sekunden besser war).
- Beim Marathon bin ich zwar, wie letztes Jahr, wieder mit Günter Höllige gleich am ersten Berg ausgerissen, und Günter hat auch wieder gewonnen (die 155km-Variante), aber diesmal sind wir die ersten 100km nicht zu zweit vor dem Feld gefahren, sondern ein ganzer Rattenschwanz von ca. 15 Leuten kam mit. Bei rund 900 Fotos auf der Veranstalter-Homepage habe ich nur ein einziges von der Spitzengruppe gefunden; Günter in blau an 2., ich in gelb-schwarz an 3. Position
- Leider waren in der Gruppe einschließlich Günter und mir nur 5 oder 6, die auch Führungsarbeit leisteten
- Entweder bin ich bergab besser geworden, oder die anderen waren sehr vorsichtig, oder was weiss ich: ich bin nicht nur bergab nicht abgehängt worden, sondern war sogar manchmal am schnellsten runter...
- ... bekam dafür aber nach rund 90 km bergauf immer mehr Probleme und wurde 2x abgehängt
- Beim ersten Mal schafften wir es zu dritt nach einer 10km-Hatz, am Ende bergab die Serpentinen runter nach Mürlenbach wieder ranzukommen - bergab! Und das ich! Ich werde noch lange Alpträume von dieser Verfolgungsjagd haben
- Aber kurz darauf verlor ich dann zu Beginn der 3. Runde endgültig den Anschluss, wieder bergauf, und gab die Hoffnung auf, nochmal an die auf ca. 10 geschrumpfte Spitzengruppe ranzukommen.
- Es gab diesmal tatsächlich eine einheitliche Startzeit für den 1. Startblock, und tatsächlich stammen alle ersten Fahrer aller 4 Streckenlängen wohl nicht nur aus dem 1. Block, sondern auch aus unserer ersten Spitzengruppe, die sich gleich nach dem reellen Start gebildet hatte - die restlichen der rund 1400 Starter kamen da offenbar nie mehr ran, auch nicht in Nettozeit
- Udo Bölts war diesmal nicht dabei...