24 Stunden Auf und ab am Nürburgring

Cosmas und Fasching an der Hohen Acht Wie hatte ich mich auf den Nürburgring gefreut. Nach einer allgemein eher verkorksten Saison (in der Provence ständig verfahren, gut, immerhin noch schnellster ohne Begleitfahrzeug und 6. absolut; in Gerolstein nur Zweiter im (Berg)Zeitfahren, 4. absolut, beim Marathon wg. Nettozeitrechnung trotz 2. am Zielstrich unter ferner liefen; bei den Langstrecken-EM in Wiedlisbach erschöpft und kraftlos nur 10. Platz; Hungerast und anschließende Erkältung bei der T-Mobile-Mountain-Challenge und damit nur 40., trotz Unterstützung durch Tobias Steinhauser und Gewinner der Bergwertung am Kühtai; beim BZF an der Hallgartener Zange wieder Zweiter hinter Jochen Uhrig...) sollte jetzt endlich mal wieder ein Erfolgserlebnis rausspringen.

Rechtzeitig ab 4 Wochen vor dem Termin ging es auch mit der Form wieder aufwärts, nachdem ich seit Mitte des Jahres praktisch keine Langstrecken mehr gefahren war. Deprimierenderweise hängte mich Nico (mittlerweile recht erfolgreich bei den Wiesbadenern) bei seiner ersten gemäßigten Langstrecke überhaupt anläßlich einer gemeinsamen Ausfahrt gen Eifel über 300 km ab, aber der ist momentan einfach super gut drauf; die folgenden Trainingsstrecken über 320 und 400 km liefen dann besser, und mit dem 2. Platz an der Hallgartener Zange war ich in sportlicher Hinsicht eigentlich doch ganz zufrieden. Ich konnte mir langsam wieder vorstellen, am Nürburgring ohne Hungerast etc. durchzukommen. Nur den 1. Platz schminkte ich mir schonmal ab, als bekannt wurde, dass Wolfgang Fasching erstmals mit von der Partie war, den ich ja schon von der Provence her kannte.

Also nach einer ruhigen letzten Woche perfekt versorgt mit Papa, Onkel und Reni zum Nürburgring, die mir diesmal zu dritt Flaschen, Riegel und Gels reichen würden (Reni nur tagsüber). Rechtzeitig war sogar das Wetter besser geworden - fast ungewöhnlich gut für die Eifel.

Zunächst lief alles wie am Schnürchen. Ich hatte mir vorgenommen, mich diesmal am Anfang etwas zurückzuhalten - kein Spitzenbereich, höherer Pulswerte strikt nur bergauf (wovon es am Ring ja bekanntlich mehr als genug gibt). Das klappte sehr gut, zwar fuhr ich dadurch nach dem Start um 19:30 Uhr nicht gleich an der Spitze wie letztes Jahr, sondern war bei der ersten Zwischenzeit auf dem 7. Platz, doch bis zum Morgen schon wieder ganz wie geplant direkt hinter Fasching. Allerdings musste die Nacht erstmal vergehen - bei dem diesjährigen, um 1 Monat verschobenen Termin wurde es schon in der ersten Runde dunkel, und es sollte gut 10 Stunden dauern, bis ich mein Licht wieder ausknipsen konnte. Immerhin wurde es nicht so kalt wie befürchtet, ich musste erst ab 3 oder 4 Uhr ein Langarmtrikot überziehen. So lange rechnete ich immer wieder: "Noch höchstens 4 Runden bis zum Morgen... Noch 3..."

Trotzdem war es auch diesmal wieder ein ganz besonderes Erlebnis, die 10%-Gefälle an Fuchsröhre und Breitscheid auf wunderschöner, breiter Straße mit 70-86 km/h (mehr ist bei meinen 63 kg nicht drin...) runterzurauschen, immer schön an der Ideallinie entlang. Zumindest, so lange keine anderen Fahrer vor mir waren, da blieb ich lieber vorsichtig. Von der langen Steigung an Bergwerk und Kesselchen, wo sich die Rücklichter wie eine Perlenschnur vor einem in den Himmel zogen, und der Hohen Acht mit ihren 17% ganz zu schweigen. Gut, die Hohe Acht beginnt dann irgendwann schon ziemlich weh zu tun; erstaunlich ist allerdings, dass schon in der ersten Runde etliche dort schoben, von den späteren ganz zu schweigen. Und das meistens Staffelfahrer, die dann also gerade mal bestenfalls die 2. oder 3. Runde fuhren. Bei manchen hatte man den Eindruck, dass sie zum ersten Mal diesjahr überhaupt auf dem Rad saßen oder sonst nur im Hessischen Ried fahren.

Gut, morgens waren die ersten 12 Runden und damit 270 km und 6000 Höhenmeter absolviert, die Rundenzeiten hatten sich nach anfangs um die 45 bei 52 Minuten eingependelt, und ich kam fast ohne Pausen aus. Das Morgenlicht puschte nochmals, und so gingen die nächsten beiden Runden wie im Fluge vorbei, innerhalb derer ich meinen Vorsprung auf den nächstfolgenden Dritten noch etwas ausbauen konnte.

Die ganze Zeit nervte mich allerdings meine Schaltung, die ich eigentlich gestern noch eingestellt hatte und trotzdem ständig hakelte. Mir fiel ein, dass ich keinen Ersatzzug dabei hatte, und ich nahm mir vor, sobald Reni aus der Pension zurück an der Strecke war, sie um einen Schaltzug loszuschicken, den ich ins Satteltäschchen stecken wollte, sicher ist sicher...

Doch dazu kam es nicht mehr. Beim 2. Anstieg in der 15. Runde gab der rechte Hebel nur ein "Rrrratsch" von sich, als ich runterschalten wollte, das Schaltwerk rutschte auf's kleinste Ritzel. Abgerissen. Ich war nicht mal richtig überrascht. Bei der Schalterei eigentlich kein Wunder. Warum hatte ich das Drecksding nach der völlig verregneten Mountain Challenge am Kühtai nicht ausgetauscht?

Nochmal Hohe Acht So. Was jetzt? Ich rannte den kurzen Anstieg rauf, fixierte den lose herumhängenden Zug am Oberrohr, fuhr dann weiter, erstmal runter. Dann kamen die ersten langen Anstiege ab Bergwerk, die drückte ich irgendwie mit 34/11 rauf, aber ab dem Kesselchen ging nix mehr mit Drücken, ich musste wieder laufen, drehte mich ständig um, ob nicht eins der Service-Autos endlich käme, die doch sonst ständig an einem vorbeirauschten. Mir war's tatsächlich peinlich, jetzt auch unter die Fußgänger geraten zu sein, bestimmt dachten die vorbeikommenden, mir sei die Puste ausgegangen... Da kam eins! Das Auto hielt an, doch oh Graus! keine Schaltzüge an Bord!

"Wir können Sie nur bis zum Zielbereich mitnehmen, da gibt es einen Reparaturstand. Wir dürfen dabei aber nicht übers Ziel fahren, damit der Transponder nicht auslöst. Den Punkt, wo wir Sie aufgesammelt haben, schreiben wir auf, und das wird dann irgendwie angerechnet."

Nach einigem Hin und Her stieg ich ein, es dauerte allerdings noch eine Weile, bis wir tatsächlich losfuhren, und unterwegs mussten wir noch zweimal halten, weil andere Radler winkten - die wollten allerdings nur irgendwas erzählen. Ich platzte schier vor Ungeduld. Schließlich waren wir am Ziel, rangierten kompliziert drumrum, ich lief mit dem Rad zu dem Zelt, musste von hinten rein, ein Mechaniker ist da, Gott sei Dank, ich erkläre alles nochmal, "ja, es ist dringend", alter Zug raus, neuer rein, hopp auf's Rad und wieder los. Während der ganzen Aktion war ein Kommissär kurz vorbeigekommen, meinte irgendwas, dass man anhand der verlängerten Durchfahrtzeit der Runde ja identifizieren konnte, wann die Panne passiert war, ich verstand nicht, wozu, egal.

Nochmal Hohe Acht Jetzt ging's um die Wurst. Ich hatte durch die Panne selbst nur wenig, durch den Transport und das Hickhack aber rund 30 Minuten verloren. Während ich die Runde nochmal startete, versuchte ich zu überlegen, wie sie die begonnen 12 km des ersten Durchgangs wohl anrechnen könnten? Als ich an der Boxengasse vorbeikomme, gucken mir drei besorgte Gesichter entgegen, ich halte an, muss erzählen, was passiert ist. Die drei haben nicht gewusst, wo ich geblieben sein könnte - 1:43 für eine Runde? Mir bleibt nicht viel zeit, ich muss weiter. Bald war ich wiederum an dem Punkt, wo mich das Auto aufgesammelt hatte, und da fährt auf einmal ein mir bekanntes Trikot vorbei - Fasching. Der musste mich ja irgendwann überrunden. Ich hänge mich dran, quatsche ihn an. "Wir sind uns letztes Jahr in der Provence begegnet." Na gut, weiss er natürlich nichts mehr von. Wir bleiben bis zur Zieleinfahrt zusammen und geben uns Windschatten, bis er zu seinen Betreuern abbiegt.

Leider bin ich durch die Panne jetzt in der Zeitmessung auf den 9. Platz zurückgefallen, wie ich beim nächsten Boxenstopp erfahre. Ich werde wütend, da sollte doch was angerechnet werden? Mein Vater soll zur Rennleitung gehen und rausfinden, ob wenigstens am Ende eine Gutschrift stattfindet. Als das verneint wird, wie er mir 2 Runden später erzählt - ich bin mittlerweile auf dem 6. oder 7. Platz - möchte ich alles hinschmeissen. Ich ziehe den Helm aus und setze mich auf den Boden: "Das hat doch alles keinen Zweck mehr! Wie soll ich denn eine halbe Stunde aufholen?!" Reni und die beiden müssen einiges an Überzeugungsarbeit leisten, bis ich wieder auf's Rad steige; meine Zeit wird durch das Motivationsloch natürlich auch nicht gerade besser.

Die folgenden Runden sind mir kaum noch erinnerlich, ich weiss nur, dass ich schlecht fuhr, selbst die flacheren Anstiege taten weh, praktisch die kompletten 8 km von Breitscheid (auf 320m) bis Hohe Acht (auf 620) kurbelte ich im kleinsten Gang von 34/28. Bis schon wieder Fasching vorbeifährt, fast an der gleichen Stelle. "So wird das aber nichts mit dem Rundenaufholen", ruft er mir zu. Recht hat er, seit Stunden fahre ich nur noch mit Puls 110-120. Warum eigentlich? Ich gehe aus dem Sattel, mal sehen, ob ich ihn nochmal einholen kann - und verstehe einer, wie ein (mein?) Körper funktioniert, es geht. Ich fahre daneben. "Bei mir läuft's einfach nicht mehr", erkläre ich, wir fangen, während wir das Kesselchen hochfahren, an, über Training, unsere Laufräder und was weiss ich zu plaudern. Ich gucke auf den Pulsmesser: 130, 135, 140. Aber es tut komischerweise eigentlich nicht weh. Sogar weniger als vorhin mit 120. "Heh, vorbeifahren und dabei auch noch quatschen, das ist ja die Höhe!" protestiert ein Staffelfahrer, an dem wir locker vorbeiziehen. "Klar, mit Quatschen geht's halt besser" antworten wir beide fast gleichzeitig. Die Hohe Acht mit ihren immer steiler werdenden 12, 13, schließlich 17% ist trotzdem anstrengend, da ändert sich nix, aber ich fahre sie mit Puls 150 und wahrscheinlich 1/3 schneller hoch als sonst die letzte Zeit. Fasching will vielleicht nur noch diese Runde fahren, sein Vorsprung ist groß genug, ich kann im Zeitrahmen noch 3 weitere fahren. Auf der ewig langen, leicht ansteigenden Gerade vor dem Ziel, die ich vielleicht am meisten hasse, mache ich mich flach, um das Loch zu einer flotten Gruppe zu schließen ("macke Locke zu", wie Michele mal sagte), doch als ich dran bin, merke ich, dass Fasching weg ist. Wollte sich wohl nicht mehr überflüssig anstrengen.

Zieleinfahrt nach 23:45 Stunden Nach kurzer Pause startete ich die letzten 3 Runden mit neuer Energie, schaffte erstmals wieder 52er Zeiten wie seit dem Morgen nicht mehr, überholte mit gemeiner Taktik ("anschleichen", dann mit heftigem Antritt vorbei, bevor sie reagieren können) noch etliche Einzelfahrer, die aber fast alle wohl ohnehin schon mehrfach überrundet waren und insofern nichts brachten, arbeitete mich damit aber noch bis auf den 5. Platz vor, und fuhr nach 23:43 Stunden und 25 (gezählten) Runden ins Ziel. Wirklich gefahren war ich 25 1/2, und ohne Panne hätte ich in aller Ruhe noch eine 26. fahren können, ebenso wie letztes Jahr.

Aber was soll's, am 5. Platz änderte sich nichts mehr. Wir gingen nochmals zusammen zur Rennleitung, doch die wollte von einer Anrechnung jetzt nichts mehr wissen. Ich wollte ohnehin nur noch ins Bett. Vorsorglicherweise hatte ich für uns vier 2 Zimmer in einer Pension genommen, wo Reni auch schon die vorhergehende Nacht verbracht hatte, so dass wir am nächsten Morgen nach Frühstück gestärkt ohne Stress nach Hause fahren konnten.

Ich bekam dann nach einem längeren netten Telefonat ("es tut mir persönlich auch weh") mit dem verantwortlichen Rennleiter vom BDR noch eine ebenfalls nette Mail:
Zitat:
Sehr geehrter Herr Lang,

wie bereits telefonisch besprochen ist eine Korrektur Ihrer Rundenzahl im Ergebnis nicht möglich. Eine "Runden- oder Zeitvergütung" im Defektfalle ist im Reglement nicht vorgesehen und kann auch rückwirkend nicht angewendet werden.
Ich bedauere es aber sehr, das Sie durch die erhaltene Fehlinformation eines unserer Fahrzeugführer die Runde nicht aus eigener Kraft beendet haben.

Ohne den bedauerlichen Zwischenfall hätten Sie mit Sicherheit die 26 Runden wieder geschafft, Sie lagen zum Zeitpunkt der Panne (wir haben uns in der Werkstatt kurz gesehen) ja voll auf dem Vorjahresschema und damit wieder sehr gut im Rennen.

Ich werde Ihre Kritik beim nächsten Treffen der Organisation zur Sprache bringen und versuchen, für 2007 zumindest für die Einzelfahrer eine andere Lösung als den totalen Rundenverlust bei der Mitfahrt in einem Begleitfahrzeug zu finden.


Mit freundlichen Grüßen

Alexander Donike

Das mit 2007 muss ich mir trotz allem gut überlegen... Na ja, mal sehen. Was sind schon Platzierungen? Ich weiss ja, was ich gefahren bin. Und ich kann sagen: so leicht ist mir noch kein Langstreckenrennen gefallen. Auch wenn es sich unterwegs teilweise anders angefühlt hat, vor allem nach dem Motivationsloch, als ich um 7 Plätze zurückgefallen war...
Cosmas Lang